Wellerlehm

Der Lehmwellerbau ist eine historische, ursprünglich bäuerliche, schalungslose Bauweise. Vor allem in Gebieten mit lokalen Lehmvorkommen hat sich diese Technik verbreitet. Wellerlehm (mit Stroh armierter Lehm) wird traditionell in Schichten manuell aufgesetzt. Die Schichten lässt man einige Tage anziehen. Danach werden sie durch Abstechen mit scharfem Spaten manuell nachgearbeitet und begradigt.

Der im 20. Jahrhundert durch den Beton verdrängte Wellerlehm kann für senkrechte Strukturen – ähnlich wie Beton – in jede Form gebracht werden. Er ist selbsttragend und ohne Putz erosionsstabil.

Wellerlehmtechnologie

Die Bauweise hat ein hohes Innovationspotenzial. Mit einem internationalen Forschungsteam erarbeiten wir ein großtechnisch nutzbares Verfahren um Wellerlehm als Baustoff für tragende Wände zu einem Durchbruch zu verhelfen. Entscheidend dafür sind die logistischen Verbesserungen die durch Präfabrikation erzielt werden.

Die bisherigen Pilotversuche mit einem Wellerlehmpressen-Prototyp im Maßstab 1:4 haben gezeigt, dass deutlich höhere Festigkeiten des ausgehärteten Wellerlehms erzielt werden können, außerdem kann mit unterschiedlichen Lehm-zu-Pflanzenfaser-Verhältnissen der Anwendungsbereich von Isolation über Leichtbau bis tragende Wände variiert werden.

Maschinenbau: Kay Hoffmann, Laaslich
Konstruktion: Michael Schmiel
Maschinenpark: Steffen Schmelzer, Wittenberge
Material: Henry Krüger, Perleberg
Material Thüringen: Thomas Stulier, Langensalza
Idee zur Technologie: Martin Rauch, Schlins
Vortests: Nils Kohlhase, Mohamad Saleh, Lübeck
Ursprüngliche Idee: Ute Reeh, Düsseldorf, Nebelin

Unser Konzept, Wellerlehm als modernes und zukunftsweisendes Baumaterial zu etablieren, vereinigt immense ökonomische und ökologische Vorteile:

  • Kreislauffähigkeit
    Anders als Beton lässt sich Lehm im Fall eines Rückbaus vor Ort einfach einebnen oder für das nächste Bauvorhaben weiterverwenden. Da er ohne stabilisierende Zusätze auskommt, ist er zu 100% kreislauffähig. Beim zweiten Pilotversuch mit dem Wellerlehmpressenprototypen ist recycleter Wellerlehm eines thüringischen Gebäudes von 1711 verwendet worden und hat bei Messungen sogar eine höhere Festigkeit gezeigt als bei aus Prignitzer Lehm gepressten Blöcken.
  • Beständigkeit
    Lehmbauten weisen darüber hinaus eine vielfach höhere Lebenszeit (Hunderte von Jahren) als konventionelle Bauten der lezten 3-6 Jahrzehnte auf, wie zahlreiche historische Bauten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien beweisen. Wie oben bereits erwähnt, lassen sie sich dennoch sehr viel ökonomischer und mit weniger Energieverbrauch rückbauen.
  • Ökonomie
    Unser Verfahren erreicht eine hohe Druckfestigkeit. Es ermöglicht das errichten von tragenden Wänden aus unmittelbar vor Ort entnommenem Bodenaushub, der mit Stroh vermischt wird. Dieser lässt sich dieser nach unserer Rezeptur verdichten. Wir erschließen damit eine Bauweise, deren Material (fast) überall regional verfügbar und in Zukunft großtechnologisch umgesetzt werden kann.
  • Raumklima
    Massive Lehmbauten, wie im Fall des Wellerlehms, sind in Bezug auf ihre Feuchte- und Wärmeregulierung unerreicht in ihrer das
    Raumklima und Behaglichkeit regulierenden Eigenschaft.
  • CO2 Neutralität
    Unser Konzept sieht vor, mit Ortlehm zu arbeiten, d.h. mit dem bei Bauvorhaben anfallenden Bodenaushub und Stroh aus der jeweiligen Region. Dadurch fällt bei der Produktion und Verbauung des Baustoffes nur geringer Energiebedarf an ‒ anders als beispielsweise bei Aluminium oder Beton, bei deren Produktion und Transport über große Strecken viel Energie verbraucht wird. Wellerlehm hat zudem auch unabhängig der Produktion eine vorteilhafte CO2-Bilanz, da Wellerlehm mit seinem hohen Anteil von Stroh (oder anderen Pflanzenfasern) Kohlenstoff bindet, den diese Pflanzen in Form von CO2 der Atmosphäre entzogen haben.
  • Naturschutz
    Wellerlehm bietet besonders geschützten Wildbienenarten Unterschlupf.

Abbildung: Bereits kurz nach Fertigstellung einer Testwand in Nebelin ist diese von Wildbienen besiedelt worden. Foto Dr. Dieter Günnewig, Juli 2020.