Bausteine einer Theorie des Peripheren

Baustein #6 – Akademie

Gespräch in der Kunsthalle Düsseldorf am 16. Mai 2021.
Das Gespräch war als Stream öffentlich.

 

Video des Gesprächs in der Kunsthalle Düsseldorf (Zusammenfassung, 21:47 min).

Unsichere Zeiten

Unsichere Zeiten und offenes Denken | Akademie für agile Prozesse ist die sechste Station der Reihe Bausteine einer Theorie des Peripheren. Theorie wird darin in einem künstlerischen Prozess entwickelt. Dieser schließt Unbestimmtheit, Unvorhersehbares und Improvisation ein.
These der gesamten Reihe ist: Veränderungen beginnen an Rändern, Innovationen oft im Abseits. Am Rand, außerhalb zu stehen, aus verschiedenen Richtungen zu blicken, sind Möglichkeiten, Komplexität und Bezüge wahrzunehmen und sichtbar zu machen. Zeitgenössische Kunst erzeugt offenen Raum und Löcher im System.

Links: Joseph Beuys 1981 blickt in den Wanddurchbruch für das Ofenrohr in der Kunsthalle Düsseldorf, Foto Ulrich Baatz; rechts die Ofenrohrinstallation außen an der Kunsthalle Düsseldorf, Foto Benjamin Dodenhoff

Links: Joseph Beuys 1981 blickt in den Wanddurchbruch in der Kunsthalle Düsseldorf für das Ofenrohr, Foto Ulrich Baatz; rechts die Ofenrohrinstallation außen an der Kunsthalle Düsseldorf, Foto Benjamin Dodenhoff. (Quelle https://docplayer.org/96798791-Joseph-beuys-im-lenbachhaus-und-schenkung-lothar-schirmer.html, Zugriff 23.06.2021) Das Ofenrohr ist auch heute noch an der Westwand der Kunsthalle zu sehen.

Offenes Denken

Die Veranstaltung geht Strukturen nach, die es ermöglichen, Ideen über alle gängigen gesellschaftlichen Schranken hinweg zu entwickeln. Das, was entsteht, hätte keine:r der Beteiligten, auch keine:r der Spezialist:innen allein entwickeln können.
Die Systeme in denen wir leben, sind über Jahrtausende entstanden und benötigen immer wieder neue Impulse. Dysfunktionen wie die des Bildungssystems in Bezug auf Chancengleichheit, die Überforderung der großen bürokratischen Apparate, die katastrophale Umweltverschmutzung, die Ungleichheit in der Welt, das Unverständnis von Gruppen, die jeweils überzeugt von ihren Wahrheiten sind, zeigen dies an. Menschen einigen sich auf Konzepte, um mit der Komplexität der Welt umzugehen. Konzepte helfen, sich in Systemen zurechtzufinden, Strukturen einzuordnen, gesellschaftliche Erwartungen und Vermutungen zu verstehen. Konzepte sind jedoch selbsterhaltend. Handeln auf ihrer Basis verstärkt Strukturen, die wiederum die hinter ihnen liegenden Vorstellungen zementieren. Das, was gegeben ist, scheint unveränderlich. Unlösbar scheinende Probleme bedeuten zunächst nur, dass andere Lösungen als die vom jeweiligen Konzept vorgesehenen benötigt werden.

Plakat #6/8, Auflage 300

Entwicklung einer Akademie

Mit der Akademie für agile Prozesse (AAP) entwickeln wir eine flexible Infrastruktur, die an bestehende Systeme andockt. Als strukturelle Erweiterung öffnet sie temporär hierarchiefreien Raum für ergebnisoffene kreative Prozesse. Die Akademie erzeugt Innovation ganz aus Versehen – quasi nebenbei.

Aspekte der AAP

  1. Anschaulichkeit
    Sichtbar machen komplexer Systeme und ihrer Veränderbarkeit.
  2. Verlässlichkeit
    Ein öffentlich zugänglicher Raum mit einem kleinen, beständigen Mitarbeiter:innenstab bietet zu verlässlichen Zeiten Raum.
  3. Begreifen
    Physisches Begreifen, sinnliches Verständnis, Humor, Unbestimmtheit sind verbindende Elemente, während Schönheit Identifikation stiftendes Ziel ist.
  4. Freiheit der Blickrichtung
    Unbegreifbare Komplexität ist Anlass für bewusstem Umgang mit Präsenz, Perspektivwechsel, Struktur, Improvisation, Hierarchiefreiheit und Leere.
  5. Forschung
    Probleme werden als kreative Herausforderungen und Anlass genommen, auf den ersten Blick ungewöhnliche Perspektiven einzunehmen, Forschungsfelder und deren Spezialisten einzubeziehen.
  6. Technologie
    Lösungen konkreter, zeitgemäßer, technologischer Umsetzung werden bis in die Tiefe verfolgt. Daraus kann der Aufbau von Unternehmen erfolgen.
  7. Architektur
    Funktionalität und Schönheit von im Prozess entstehender Architektur wird als Indikator für dessen Qualität erforscht.
  8. Stadtentwicklung
    Der entwickelten Architekturen, Prozesse und Technologien werden in ihrem Potenzial, zu einer lebendigen Stadt beizutragen, genutzt.
  9. Rolle von Kunst in der Gesellschaft
    Veränderungsprozesse werden als gemeinschaftliches Werk mit multipler Autorenschaft gesehen.
  10. Aufbau internationalen Austauschs
    Vernetzung von mit der Form von Prozessen arbeitenden Künstler:innen und Forscher:innen.

Gäste

Peter Awe, Montessorischule Wittenberge; Christopher Dell, Institut für Improvisationstechnologie Berlin; Jasmin Grande, Institut der Moderne im Rheinland an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf; Kathrin Jentjens, Neue Auftraggeber; Franz Klein-Wiele, Leiter der Werkstatt für Modell- und Prototypenbau der Hochschule Düsseldorf; Peter Köddermann, Geshäftsführer Baukultur NRW; Reiner Nagel, Vorsitzender der Bundesstftung Baukultur Potsdam: Birgit Planken, Montessori Gesamtschule Düsseldorf; Moritz Riesenbeck, Student an der Kunstkademie Düsseldorf; Christof Rose, Architektenkammer NRW; Frauke Röth, Büro Kosmos Potsdam; Eva Schmidt, Kuratorin Siegen; Susanna Schönberg, Künstlerin Köln; Beate Steil, Fotografin Düsseldorf; Mira Reeh, Studentin Kunstakademie Münster und HHU Düsseldorf; Ute Reeh, Künstlerin Düsseldorf; Jan-Christoph Tonigs, künstlerischer Leiter Kloster Bentlage.

Schirmherrinnenschaft

Die Kunsthalle Düsseldorf öffnet sich mit Beuys‘ Ofenloch zur Welt.
Diese Arbeit ist Schirmherrin der Veranstaltung.