Artists in Wittenberger Weg

Naomi Rincón Gallardo

Die mexikanische Künstlerin Naomi Rincón Gallardo war im September/Oktober 2021 im Rahmen des Stipendiums Gast am Wittenberger Weg.

Tlaloc in Düsseldorf?
Video preview

Ausgehend von einer kleinen Skulptur des Regengotts Tlaloc in einer Vitrine des Düsseldorfer Keramikmuseum schuf Naomi Rincón eine Erklärung für die unbeantwortete Frage nach dessen Geschichte.
Die erste Version ihres Videos zeigten wir am Freitag, 8. Oktober 2021 von 18 – 19 Uhr, am Wittenberger Weg 94, 40593 Düsseldorf

Soy piel de montaña que resguarda el agua
Es piedra verde mi corazón de cerro
Yo soy quien se encarga de sostener el cielo
De gotas de lluvia está tejida mi falda
Las nubes se forman en la punta de mi cholla
Rio derramado de la panza de la olla
Corazones de niños me traen en ofrenda
Para que provea de dones la cosecha
Brota de mi carne el verdor de la hierba
Mi trueno/serpiente protege la tierra!

Ich bin Haut des Berges der das Wasser hütet
Grüner Stein ist mein Bergherz
Ich bin derjenige, der den Himmel trägt
Aus Regentropfen ist mein Rock gewebt
Wolken bilden sich an der Spitze meines Kopfes
Fluss aus dem Bauch des Topfes ergossen
Kinderherzen werden mir als Opfergabe gebracht
Damit ich Gaben für die Ernte biete
Aus meinem Fleisch sprießt das Grün des Grases
Meine Donner/Schlange beschützt die Erde!

 

Totonakisches Relief mit dem Regengott Tlaloc, Mittelamerika. Die Totonakische Kultur existierte ca. 400–700 u.Z. im südlichen Maya-Gebiet.
Foto: Horst Kolberg. Mit freundlicher Genehmigung des Hetjens-Museums, Düsseldorf

Tlaloc in Düsseldorf

Er hält den Himmel und bringt die Regenfälle. Er ist sowohl Erde als auch Wasser, sein Körper ist ein Berg, die Spitze seines Kopfes besteht aus Wolken, sein Rock wird von Regentropfen gebildet. Er wohnt nicht in der Unterwelt, sondern er selbst ist die Unterwelt. Die Menschen würden ihm für das Wasser, das das Leben erblühen lässt, die Herzen von Kindern als Gegenleistung anbieten. Er ist männlich und weiblich. Er hält eine Schlange in seiner Hand. Die Schlange ist ein Blitz, der den Himmel zerreißt. Es wird gesagt, dass Blitze und Schlangen Wächter von Territorien gegen Diebe, Eindringlinge und gefährliche Bedrohungen sind. Er ist als Tlaloc bekannt. Er wurde entführt und nach Düsseldorf gebracht. Jetzt wägt er das Ausmaß seiner Rache ab und lädt seinen Donner mit Wut auf.

Indem sie bastardisierte mesoamerikanische Kosmologien, DYI-Requisiten und -Kleidung sowie Verweise auf mexikanische Horror-B-Movies mischt und miteinander in Beziehung setzt, entwirft Naomi Rincón Gallardo eine transzeitliche, queere, dekoloniale Geschichte der Figur der Nahua-Regengottheit Tlaloc, die sich im Hetjens-Museum für Keramik in Düsseldorf befindet.

Das Tlaloc-Relief in einer Vitrine mit mesoamerikanischer Keramik, Hetjens-Museum Düsseldorf

Kurzbiographie

Naomi Rincón Gallardo (*1979 in North Carolina, USA) lebt in Ciudad de México.

Sie studierte bildende Kunst, Erziehungswissenschaften, Kultur, Sprache, Literatur und Gemeinschaftskunst in Mexiko. Ihren Master absolvierte sie am Goldsmiths College in London. An der Akademie der bildenden Künste Wien absolvierte sie ihre künstlerische Dissertation.
Rincón Gallardo versteht Forschung als eine künstlerische und transdisziplinäre Erfindung und beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Gegenwelten im neokolonialen Umfeld. Sie nutzt Masken und absurde Situationen, um Raum zwischen radikalen utopischen Erfahrungen, Fantasie und den Krisen tradierter Vorstellungen zu schaffen. Rincón Gallardo integriert ihr Interesse an Musik, Theater, spekulativer Fiktion, Feminismen, kritischer Pädagogik und Community-Projekten in ihre Arbeit. 2020 wurden ihre Arbeiten im Kunstraum Innsbruck und auf der Berlin Biennale gezeigt.

Still aus Oppossum Resilience, 2019; Foto: Claudia López Terroso